Hildegardmedizin

Hildegard von Bingen wurde 1098 als jüngstes von 10 Kindern einer Adelsfamilie in Bermersheim bei Alzey geboren. Im Alter von 8 Jahren kam sie in das Benediktinerkloster Disibodenberg an der Nahe zu ihrer Tante Jutta von Sponheim. 1113 legte Hildegard dort ihr Gelübde ab und wurde selbst Benediktinerin, 1137 Äbtissin. Mitte des zwölften Jahrhunderts gründete sie ihr eigenes Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen, wo sie im Alter von 81 Jahren starb. Heute gilt sie als eine der mutigsten und visionärsten Frauengestalten der deutschen Geschichte und wurde 2012 von Papst Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin ernannt.

Konzept
Als Heilkundige und Mystikerin entwickelte Hildegard von Bingen (1098-1179) ein für damalige Zeiten visionäres, ganzheitliches Heilsystem, heute Hildegardmedizin genannt. Basierend auf ihrem christlichen Weltbild sind die Seele, der Geist und der Körper des Menschen untrennbar miteinander verbunden und werden als Teil der gesamten göttlichen Schöpfung betrachtet. Hildegard berichtete, schon als Kind Visionen gehabt zu haben. Sie war überzeugt davon, zur "Inneren Schau" befähigt zu sein und so einen besonderen Zugang zu Gott zu haben. Sie "schaute" die Kräfte der göttlichen Schöpfung und ihre Wirkung auf alle Geschöpfe, was ihr die bewundernde Bezeichnung "prophetissa teutonica" (deutsche Prophetin) einbrachte.

Im Alter von ungefähr 43 Jahren begriff sie ihre Visionen als "Auftrag Gottes" und begann, sie zu verkünden und niederzuschreiben. So entstand ihr theologisches Hauptwerk "Scivias" (Wisse die Wege) und die Schrift "Liber vitae meritorum" (Das Buch der Lebensverdienste). Neben Theologie, Mystik und Musik (Hildegard schrieb 70 Lieder, Antiphonen und Hymnen) sind heute vor allem auch ihre Werke zu den Themen Gesundheit, Kräuterheilkunde und Ernährung bekannt. In ihren naturheilkundlichen Schriften "Physica" (Heilkraft der Natur) und "Causea et curore" (Ursachen und Behandlung von Krankheiten) finden sich ihre "sechs goldenen Lebensregeln":

  • Nutzung der natürlichen Heilkräfte aller Lebensmittel 
  • Ausleitende Verfahren (z. B. der auf Mondphasen abgestimmte Hildegard-Aderlass) 
  • Ein harmonischer Rhythmus von Muße und Arbeit ("ora et labora")
  • Harmonie zwischen Schlafen und Wachen zur Regeneration von Körper, Geist und Seele 
  • Stärkung der Seele durch "spirituelle Psychotherapie" (z. B. seelische Reinigung durch Erkennen der von ihr definierten 35 Tugenden (u. a. Barmherzigkeit, Liebe, Demut, Tapferkeit) und Laster
  • Heilmittel aus der Natur (Hildegard erkannte in der gesamten Schöpfung, in Pflanzen, Bäumen, Tieren und Edelsteinen starke göttliche Heilkräfte).

Hildegardmedizin aus heutiger Sicht
In der gesamten Naturheilkunde findet man religiöse und philosophische Strömungen. Der aktuelle und zeitgemäße Aspekt der Hildegardmedizin liegt vor allem in ihrem ganzheitlichen Ansatz, in der Kombination von bewusster Lebensführung, gesunder Ernährung und der Integration seelischer und spiritueller Aspekte. Geht man von einem Weltbild aus, das durch einen übergeordneten Geist geschaffen und gelenkt wird, fällt die Vorstellung von einer visionären Medizin nicht schwer.

Viele der Hildegardschen Rezepturen sind noch gar nicht ausgetestet worden und finden somit auch keinen Zugang zur modernen Praxis. Aber eine Menge der Verordnungen sind von dem österreichischen Arzt Dr. Gottfried Hertzka angewendet worden und haben sich - trotz fehlendem wissenschaftlichen Nachweis - in jahrzehntelanger Praxis bewährt.

Anwendungsgebiete/Indikationen (alphabetisch)
Da es sich bei Hildegard um ein medizinisches Ganzheitskonzept handelt, bei dem auch die Wechselbeziehungen zu anderen Systemen oder Organgruppen eine Rolle spielen, ist eine hierarchische Aufzählung von Indikationen nicht möglich. Die Anwendungsmöglichkeiten sind breit gefächert wie z. B.

  • Abwehraktivierung 
  • Entgiftungs- und Ausleitungsansätze 
  • Erkrankungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich 
  • Herz-Kreislauf-Geschehen 
  • Psychotherapie 
  • Regulation des Hormonsystems 
  • Verdauungsgeschehen